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Künstliche Intelligenz im Recruiting: Sinnvolles Tool oder teure Spielerei?

Künstliche Intelligenz ist aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Auch in den deutschen Personalabteilungen hat KI längst Einzug gehalten. Immer mehr Anbieter versprechen, den Recruiting-Prozess mithilfe von Algorithmen und maschinellem Lernen unvoreingenommener, schneller und effektiver zu gestalten. Doch liefert der Einsatz von Künstlicher Intelligenz tatsächlich die versprochenen Vorteile? Lohnt sich der Kauf von teuren Tools? Und sind alle Funktionen gleichermaßen sinnvoll? Diesen Fragen gehen wir nach, indem wir mögliche Einsatzbereiche von KI beleuchten, und liefern euch unsere finale Einschätzung, ob Künstliche Intelligenz im Recruiting ein sinnvolles Tool oder nur eine teure Spielerei ist.

Müssen Stellenanzeigen intelligent sein?

KI-Tools können bei der Erstellung von Stellenanzeigen unterstützen, indem Sie in Sekundenschnelle Anzeigentexte entwerfen, die sowohl zum Stil und der Corporate Identity des Unternehmens als auch zur gewünschten Bewerberzielgruppe passen. Das kann Abwechslung und Kreativität in die Stellenanzeigen bringen, wenn ansonsten aus zeitlichen Gründen lediglich Anzeigentexte vergangener Vakanzen mit minimalen Änderungen „recycelt“ werden würden.

Einige KI-Anbieter können auch SEO-Optimierungen an den Texten vornehmen, damit die Anzeigen besser von Suchmaschinen gefunden werden können. Es gibt auch Tools, die analysieren und vorschlagen können, auf welchen Kanälen die Stellenanzeigen veröffentlicht werden sollten, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass möglichst viele Personen aus der passenden Zielgruppe diese sehen. So könnte sich die Anzahl der passenden Bewerber theoretisch erhöhen und die Kosten für das Schalten von Anzeigen sinken. Es gibt relativ viele Anbieter mit unterschiedlichem Funktionsumfang, die Künstliche Intelligenz mit Stellenanzeigen verbinden. Einige davon sind zum Beispiel Phenom, Nawida, Smart Recruiters, Catch, Concludis, New Work und Tellent.

Candidate Experience 2.0

Auch für das Bewerbererlebnis liefern einige KI-Tools innovative Lösungen. Karriereseiten können zum Beispiel so gestaltet werden, dass sich der Inhalt der Seite dynamisch an den Bewerbenden anpasst. Die KI kann auch hochgeladene Lebensläufe auslesen oder Chatbots im Bewerbungsprozess einsetzen, um Bewerbenden schnell passende Stellen vorzuschlagen, auf die sie sich bewerben können. Das kann den Bewerbungsprozess enorm verkürzen und angenehmer machen, wodurch Kandidaten, die für die Position geeignet wären, den Bewerbungsprozess seltener abbrechen. Da den Kandidaten keine Stellen vorgeschlagen werden, für die sie nicht die passenden Voraussetzungen mitbringen, würde sich insgesamt auch die Qualität der eingehenden Bewerbungen für das Unternehmen erhöhen.

Auch die Kommunikation mit den Kandidaten kann KI automatisieren. Recruiter können Kampagnen via E-Mail oder SMS starten, um regelmäßige Updatenachrichten zu versenden und das Interesse der Kandidaten aufrechtzuerhalten. Das kann zeitliche Ressourcen schonen, die für den persönlichen Kontakt mit den Kandidaten genutzt werden können. Außerdem kann die Ansprache der Bewerbenden personalisiert werden, indem Informationen aus dem Lebenslauf genutzt werden, um die Antwortwahrscheinlichkeit der Bewerber im Vergleich zu Standardnachrichten zu erhöhen. Beispielhafte Anbieter, die Künstliche Intelligenz zur Verbesserung der Candidate Experience nutzen, sind zum Beispiel Applyz, Phenom, Concludis, New Work, hireEZ und impress.ai.

It’s a Match? Kandidatensuche und KI

Einige KI-Tools vergeben den Kandidaten Skills und gleichen diese mit den Anforderungen der Vakanz ab. Dabei sind die Algorithmen so ausgelegt, dass die Auswahl unabhängig von Geschlecht, Alter und ethnischem Hintergrund erfolgt, was zu mehr Objektivität und Inklusion führen kann. Darauf basierend trifft die KI eine Vorauswahl an Kandidaten, sodass die vielversprechendsten Kandidaten zuerst kontaktiert werden können. Dadurch kann die Dauer bis zur ersten Rückmeldung deutlich verkürzt werden. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der passende Kandidat sich in der Zwischenzeit nicht schon für einen anderen Arbeitgeber entschieden hat.

Die KI kann auch dabei helfen, einen aktiven Talentpool aufzubauen und regelmäßig mit diesem zu interagieren, sodass auch passende Kandidaten aus dem Bewerberpool vorgeschlagen werden können. Mitarbeitende können ebenfalls als Kandidaten für Vakanzen vorgeschlagen werden, um die interne Mobilität zu erhöhen und Fluktuation zu reduzieren. Dabei ist es auch möglich, dass internen Kandidaten proaktiv passende Stellen vorgeschlagen werden. Auch das Active Sourcing kann durch KI schneller und leichter von der Hand gehen. Soziale Netzwerke können schneller nach durchsucht, Suchketten erstellt und die Ansprache von potenziellen Kandidaten personalisiert werden. Einige Anbieter, die KI auf Kandidatensuche und Matching anwenden, sind Catch, Phenom, Eightfold, Beamery, HiredScore, CleverConnect, Seekout, hireEZ und impress.ai.

Was sonst noch möglich ist: Interviews, Analytics und mehr

Natürlich gibt es auch noch weitere Anwendungsmöglichkeiten von KI im Recruiting. Die automatisierte Vereinbarung von Interviewterminen kann von KI übernommen werden, um Recruitern Zeit zu sparen. Dazu gehören beispielsweise Smart Recruiters, impress.ai und Phenom. Auch Diversität und Inklusion können Unternehmen mithilfe von Künstlicher Intelligenz angehen. Dazu können zum Beispiel Video-KI-Tools genutzt werden, die Daten aus dem Video-Interview und Transkriptionen der gegebenen Antworten der Kandidaten nutzen und gegen die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale abgleichen, um Diskriminierung aufgrund von Alter, Geschlecht oder ethnischem Hintergrund zu reduzieren[1]. Auch individualisierbare Dashboards und Auswertungen können erstellt werden und Berichte zu bestimmten Zeitpunkten automatisiert verfasst und verschickt werden. Hier bieten die meisten KI-Tools Lösungen in unterschiedlichem Funktionsumfang an, darunter Phenom, Eightfold, Beamery, HiredScore, CleverConnect, Catch und hireEZ.

Datenbasis, Kosten und Funktionsumfang

Die Umfrageergebnisse des aktuellen HR-Reports von Hays[2] zeigen, dass sich Unternehmen durch den Einsatz von KI insbesondere die Beschleunigung von Prozessen, die Verarbeitung größerer Datenmengen und die Verringerung von Fehlerquellen erhoffen. Gerade im Recruiting sind Schnelligkeit und Fehlerreduktion von großem Nutzen. Es gibt kaum Unternehmen, die keine Recruiting-KPIs oder Antwortzeiten tracken und gleichzeitig versucht, die Qualität der eingehenden Bewerbungen zu steigern. Die Überschneidungen und somit der potenzielle Zugewinn durch den Einsatz von KI sind also durchaus vorhanden.

Der Einsatz von maschinellem Lernen und Algorithmen lohnt sich aber nur, wenn man über eine gute und saubere Datengrundlage verfügt. Verglichen mit anderen Bereichen der Personalarbeit läuft die Personalbeschaffung in den meisten Unternehmen bereits vollständig oder zumindest zum größten Teil digital ab. Das hat zur Folge, dass an dieser Stelle bereits genügend Daten erfasst werden, auf deren Grundlage Künstliche Intelligenz eingesetzt werden könnte. Auch hat man dadurch meist bereits einen guten Überblick über die tatsächlichen Kosten und könnte daher leicht feststellen, ob KI spürbare Kosteneinsparungen mit sich bringt.

Die Implementierung von eigenständigen KI-Tools ist je nach Anbieter und Funktionsumfang zum Teil mit sehr hohen Kosten verbunden. Von daher lohnt sich die Investition grundsätzlich nur dann, wenn die hohen Anschaffungs- und Lizenzierungskosten durch eine große Anzahl eingehender Bewerbungen ausgeglichen werden können. Dies ist unserer Meinung nach erst bei Unternehmen ab 2.000 bis 10.000 Beschäftigten sinnvoll. Größere Unternehmen profitieren durch größere Zeiteinsparungen sinnvollerweise mehr als kleinere Unternehmen.

Aber auch kleine Unternehmen brauchen auf die Vorteile Künstlicher Intelligenz nicht zu verzichten. Sie könnten alternativ auf Bewerbungsmanagementsysteme setzen, die inkludierte KI-Funktionen anbieten und vergleichsweise günstiger sind als alleinstehende KI-Tools. Darüber hinaus sollte man klar definieren, welche Funktionen für das jeweilige Unternehmen tatsächlich relevant sind und die Anwendungen eingehend miteinander vergleichen. Während sie auf den ersten Blick den gleichen Funktionsumfang bieten, können sich die Tools bei näherer Betrachtung stark unterscheiden. So gibt es beispielsweise Anbieter, die ihre Anwendungen eigenständig entwickeln, und solche, die auf Drittanbietern oder ChatGPT basieren.

Was denken wir bei Reload HR über den Einsatz von KI im Recruiting?

Wir finden den Einsatz von KI im Recruiting in größeren Unternehmen mit einer guten Datenstruktur sinnvoll, insbesondere wenn es um die Verfassung von Texten oder die Automatisierung von Routineaufgaben geht. Dennoch sollte man klar separieren, welche Aufgaben automatisiert werden und welche in menschlicher Hand verbleiben sollten. Dazu zählt unserer Meinung nach die (finale) Kandidatenauswahl, die Beurteilung des Culture und des Team Fits sowie die weiterführende, persönliche Kommunikation mit vielversprechenden Kandidaten. KI kann die persönlichen Berührungspunkte, die im Recruiting unerlässlich sind, letztlich nicht ersetzen.

Wie sieht es mit Künstlicher Intelligenz in anderen Bereichen der Personalarbeit aus, z.B. Learning & Development, Performance Management oder Reporting? Bleibt gespannt und schaut regelmäßig auf unserem Blog vorbei, denn diesen Themen werden wir uns in künftigen Artikeln widmen. Denkst du darüber nach, Künstliche Intelligenz in deine HR-Prozesse zu integrieren und brauchst noch Unterstützung? Wir helfen gern weiter!


[1] Does AI Debias Recruitment? Race, Gender, and AI’s “Eradication of Difference”, Eleanor Drage & Kerry Mackereth, 2022

[2] HR-Report 2024 Schwerpunkt: Wie Künstliche Intelligenz die Unternehmenswelt beeinflusst, Hays, 2024

Viktoria Schrupp

Mit meinem Hintergrund als HR Manager und meiner Leidenschaft für die Digitalisierung von Personalprozessen liegt mein Fokus darauf, innovative und kreative Lösungen zu entwickeln, um die Effizienz in HR-Abteilungen zu erhöhen und die Zufriedenheit von Mitarbeitenden zu steigern.